Zu anderen Ufern!

„Familie und Ehe verdienen den besonderen Schutz der Gesellschaft. Warum? Weil in der Familie der Gehorsam eingeübt wird, den das Patriarchat so gern bei seinen Bürgern sieht, weil die Ehe ob ihrer Instabilität eines besonderen Schutzes – oder Anreizes? – bedarf. Warum spielen Eigentums- und Erbrecht so zentrale Rollen? Weil sonst der ganze schöne Kapitalismus den Bach runter geht.“ Mehr als dieses Statement von Elke Heinicke vom Lesbenring ist aus linker Sicht nicht nötig zur aktuellen Debatte um das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur „eingetragenen Lebenspartnerschaft“. Auch das Programm der VSP von Mitte der 80er Jahre wusste noch, dass die bürgerliche Ehe und Kleinfamilie abgeschafft gehören. Nennenswerte praktische oder wenigstens theoretische Anstrengungen wurden aber seither von uns nicht unternommen, um diesem Ziel näher zu kommen. Was dem Spießbürger seine Haupt- (Ehefrau) und Nebenbeziehung (heimliche Geliebte) ist, sind unserer Organisation die Haupt- und Nebenwidersprüche. Kein Wunder, dass unsere Politik zwar objektiv und richtig, vor allem aber langweilig, unerotisch, unpersönlich-steril daherkommt.

Das heterosexistische, kapitalistische und rassistische Patriarchat zu bekämpfen erfordert mehr als eine Aneinanderreihung von richtigen Analysen. Es erfordert vor allem einen anderen Ausgangspunkt. „Wir machen aus Lust und Liebe Politik“ (das Motto des Lesbenrings) – undenkbar für unseren Verein? Wir brauchen eine andere Politik: Politik in der ersten Person, die auch in politischen Analysen subjektiv ist und ICH sagt (was mir die Bearbeiterin in meinem letzten Artikel für die SoZ prompt gestrichen hat). Es geht um „Vereinigen statt spalten“, nämlich von den unterschiedlichen Subjektivitäten ausgehen, die Widersprüche eben nicht hierarchisieren und sich mit dem Chaos von Beziehungsnetzen und Wahlverwandtschaften auseinandersetzen, auch jenseits von Wahlergebnissen, Weltwirtschaftsgipfeln und Tarifverhandlungen. Eine Politik, die Menschen nicht in Schubladen sortiert (es gibt nicht nur Homos und Heteros!), sondern statt dessen von der Aufmüpfigkeit und dem Widerstandspotential ausgeht, wie die Verschiedensten leben wollen. Da fehlt noch viel (beispielsweise das Bleiberecht für alle, unabhängig von ihren Beziehungskisten, die materielle und rechtliche Absicherung von Menschen, die füreinander sorgen…). Wie wir leben wollen – das ist weit mehr als „nur“ die Abschaffung des Kapitalverhältnisses. Aber es wäre revolutionäre Politik, und alle wüssten wozu!