Die Soz-plus im Internet – ohne die Papier-SoZ?

„Es ist zumindest fraglich, ob die Beiträge einer Monatszeitschrift sich ebenso erfolgreich 1:1 in ein Web-Angebot übertragen lassen. Diejenigen, die eine solche Umstellung versuchen zu Ende zu denken, sollen auch hierzu Vorstellungen äußern.“ (aus dem Diskussionspapier eines anderen Genossen, der dafür plädiert, sich notfalls auf die Internet-Ausgabe der Sozialistischen Zeitung zu beschränken, wenn wir eine gedruckte auf Papier nicht mehr finanzieren können)

Da ich zu „denjenigen“ gehöre, die hier angesprochen sind, will ich versuchen, zu antworten.

1:1-Übertragungen von einem Medium in ein anderes taugen sowieso nur selten. Ich habe das lernen müssen, als ich vom Schreiben kommend (hauptsächlich für die SoZ) anfing, Radio zu machen: Zweitverwertung ging nicht, und richtige Doppelverwertung ist eine Menge Arbeit.

Zugegeben: die GenossInnen, die damals das Info-Politik-Magazin gemacht haben, haben mehr oder minder die „Junge Welt“ vorgelesen. Weswegen ich regelmäßig versucht habe, gleichzeitig die Sendung zu hören und Zeitung zu lesen. Das ging sogar, ohne allzu große Informationsverluste – was Radio ist, und was mensch mit diesem Medium machen kann, habe ich allerdings erst später begriffen, und das ist mehr und/oder anderes als mit einem Druckerzeugnis. Luft mit Schwingungen drin hat eine andere Wirkung als Papier mit Buchstaben drauf.

Ein weiterer Schritt: Internet. Auch da wieder: wer Artikel schreiben und Radio machen kann, kann noch lange keine brauchbare Webseite gestalten.

Die verschiedenen Medien werden auch verschieden genutzt. Möglicherweise nicht von allen auf die gleiche Weise. Ich denke aber, dass mein persönliches Mediennutzungsverhalten so untypisch nicht ist, und nehme das darum mal als Beispiel. Das Internet nutze ich vor allem als so eine Art Lexikon und um mir einen Überblick zu verschaffen, was sich zu einem Thema und drumherum findet. Gedruckte Texte mag ich, um in Ruhe den schriftlichen Gedanken anderer folgen zu können und sie zu verstehen. Und Radio ist für mich klassische Nebenbei-Unterhaltung vor allem bei Hausarbeiten von bügeln bis spülen. Radio ist das Medium, das am gegenwärtigsten ist, Internet bietet die meistens Assoziationsketten und Gedankenverbindungen, während Bücher und Zeitschriften sich am besten für anspruchsvolle Theorie eignen.

Es ist die Verknüpfung verschiedener Themen und Arbeitsfelder, was die politische Qualität der SoZ ausmacht und womit wir etwas sagen wollen. Die inhaltliche „Breite“ der SoZ ist zwar leider schmaler geworden in den letzten Jahren – aber doch wohl nicht aus politisch-inhaltlichen, konzeptionellen Gründen, sondern eher ein Ausdruck von Schwäche?!

Also: ich halte es für eine „optische Täuschung“ zu glauben, wir könnten im Internet (und ausschließlich dort, ohne Verweis auf die Papier-SoZ) LeserInnen gewinnen – vor allem die LeserInnen, die wir organisieren wollen. Wir können unser Archiv im www öffentlich zugänglich machen, und das ist sinnvoll. Wir könnten darüber hinaus einen gewissen Service bieten, wenn wir wenigstens dort die Termine laufend aktualisieren würden (im Gegensatz zur Papier-SoZ, deren Terminrubrik mit „Katastrophe“ noch gelobt ist – sie sollte schleunigst abgeschafft werden, da fast alles fehlt und ihr Gebrauchswert für die übergroße Mehrheit der LeserInnen gegen null gehen dürfte). Gegen Mailinglisten ist auch nichts einzuwenden – mit denen kann mensch in der Tat schnell und bei fast gar keinen Kosten Informationen in Umlauf bringen.

Für eine Monatszeitung SoZ argumentiere ich nicht mit den Kosten. Eine Monatszeitung will ich, damit jedeR RedaktörIn für jeden Artikel, den sie/er selber schreibt, mindestens drei weitere von verschiedenen AutorInnen organisiert, damit Übersetzungen lektoriert werden (die anderen Artikel übrigens auch – und auch das ließe sich in Heimarbeit realisieren, das muß nicht alles das Büro in Köln machen und ist im Zeitalter elektronischer Kommunikation auch relativ unaufwendig zu organisieren!) Eine Monatszeitung will ich, damit die regelmäßig um drei bis fünf Tage verspätete Illusion von Aktualität definitiv der Vergangenheit angehört (die brandaktuellen Sachen wickeln wir lieber über eine Mailingliste ab!). Eine Monatszeitung will ich, abgesprochen (inhaltlich) und abgewechselt (zeitlich) mit der ak und mit Plattenkritiken (seit der in der Nr. 4 ist überhaupt keine mehr erschienen – so geht das doch nicht!!!) und überhaupt einem anständigen Kulturteil in jeder Ausgabe. Eine Monatszeitung will ich, die nicht regelmäßig Frauenbefreiung dem Bewegungsopportunismus opfert (seit wann ist es die Aufgabe von RevolutionärInnen, Bewegungen hinterherzulaufen – statt sie, wo nötig, auch mal selber zu organisieren???)

Versteht mich richtig: selbstverständlich will ich die SoZ-Plus verbessern. Aber nicht statt der Papier-SoZ, sondern außerdem. Tobias’ Papier hat mich überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht, dass da wesentliche Chancen liegen, die wir nutzen sollten.

Die Papier-SoZ von Vornherein im Hinblick auf ihre Zweitverwertung im Internet zu konzipieren, halte ich für verkehrt. Zu verschieden sind die beiden Medien und ihre Möglichkeiten. Richtig fände ich, Tobias’ Anregungen zu Ende zu denken und zwei Publikationen zu planen, eine auf Papier, eine im Internet, die arbeitsteilig auch verschiedene Ziele verfolgen:

  1. die Internet-SoZ für schnelle Informationen, für „Aktualität und Agitation“, als Infoservice für Aktive. Dass der Zugang zum Internet tendenziell demokratischer gestaltet werden kann als die Herstellung eines Druckerzeugnisses, spricht ebenfalls dafür. Dass allerdings eine Internet-Publikation keine Ware mehr sein soll, halte ich für eine Illusion, denn Online-Zeit muß nach wie vor eingekauft werden, und sozial gestaffelte Preise gibt es da schon gleich gar nicht (oder umgekehrt: wer reich genug ist, sich eine Flatrate zu leisten, den kostet eine SoZ-Plus keinen Pfennig mehr als keine SoZ-Plus)
  2. Die Papier-SoZ für Hintergrund und Diskussion, nicht dem Aktualitätsdruck hinterherhechelnd, sondern in aller Ruhe und gediegen. Von einem seltenerem Erscheinungsrhythmus als seither verspreche ich mir vor allem, dass mehr Zeit für Koordination und Kommunikation bleibt, also dafür, unser Projekt auf breitere Beine zu stellen. Was sich allerdings als Milchbubenrechnung erweisen könnte, wenn wir tatsächlich mehr Zeit und Arbeitskraft in unsere Internet-Publikation stecken wollen.

Davon abgesehen: unsere Publikationen können nicht mehr, als reale Diskussionen und Auseinandersetzungen wiederspiegeln (im besten Falle), vielleicht auch welche organisieren, wenn wir das tatsächlich wollen. Ich gewinne allerdings zunehmend den Eindruck, dass es darum nicht mehr geht, um die Diskussion, die Auseinandersetzung, das Lernen von anderen. (ich hoffe, dass ich mit dieser Befürchtung unrecht habe!)

Und wenn es zum Äußersten kommt?

Dann machen wir Radio! Ich weiß, der Vorschlag ist unrealistisch, das kann ich nicht im Ernst meinen, weil es kein bundesweit verbreitetes freies Radio gibt. Und weil sich Medien eben nicht 1:1 in ein anderes übertragen lassen – und mit nur einer Platte pro Ausgabe gäbe das auch ziemliche Bleiwüsten, die wir da senden würden…

6. April 2001